Warum auch noch Chor oder Ensemble?
Über die Notwendigkeit, in einem Chor oder in einem Ensemble mitzuwirken!
„... unser Kind ist nachmittags reichlich ausgelastet...“, sagen viele Eltern unserer Musikschüler. Tatsächlich sind unsere Schüler ständig überbeschäftigt. Ihre täglichen Arbeitsstunden für Schule, Nachmittagsunterricht, Hausaufgaben, Musik- und Kunstschule, Sport, Reiten, Meßdiener usw. übertreffen oft die eines Erwachsenen.
Ist es überhaupt möglich, daß ein Mensch bei so vielen Verpflichtungen noch wahrhaftig bei der Sache ist?
Durch das Bemühen, alle Termine einhalten zu können, besteht bei vielen Schülern die Gefahr, ein Opfer der Oberflächlichkeit zu werden. Die Folge der allgemeinen Hektik stellt sich sehr schnell ein: Lustlosigkeit, Hemmungen, Nervosität und Angst vor dem Versagen beim Musizieren.
Die allgemeine Ansicht, Musikschule solle eher Spaß machen - ganz im Gegensatz zum Schulstress, der dadurch ausgelöst wird, dass es hier um die erste Richtungsgebung für einen späteren Beruf geht -, läßt sich also nicht so einfach in die Praxis umsetzen.
Wenn man mit Aufmerksamkeit verfolgt, was sich ein Schüler alles aneignen muß, bis er ein Instrument beherrscht, um mit Freude musizieren zu können, dann versteht man, weshalb bei vielen Schülern die anfängliche Begeisterung verblaßt, und sie dann nur noch in die Musikschule kommen, um ihre Pflicht zu erledigen.
Besonders die ersten Jahre des Instrumentenlernens sind mit viel Mühe verbunden, denn man muß bedenken, dass ein in der Regel 8 bis 10 Jahre altes Kind aufgrund der Anweisungen seines Lehrers, die es ja nur einmal in der Woche erhält, nun die ganze Woche allein weiter üben muß.
Vom Spaß kann hierbei nur eingeschränkt die Rede sein, weil das Erlernen der Instrumentenhaltung, der Bewegungen, das Ablesen der Noten und deren Übertragung auf das Instrument und die Kontrolle der erklungenen Töne und Rhythmen so große Aufmerksamkeit verlangen, dass ein musikalisches Erlebnis dabei nur selten entstehen kann.
Nun ist die große Enttäuschung eingetreten: -Statt der ersehnten Freude am Musizieren erlebt das Kind nun die Plage mit dem Zurechtkommen auf dem mit so viel Erwartung ausgesuchten Instrument. Der tägliche Einsatz wird zum mühevollen Üben, wobei man in der ersten Zeit nur langsam Resultate erzielt. „Wie lange muß ich mich noch gedulden,“ fragt sich der entmutigte Schüler „bis mein Instrument schön klingt, bis ich die Noten schnell finde, und bis ich in einer Gruppe oder auch im Orchester mitspielen kann?“ Oder „Werde ich als Klavierspieler je die Möglichkeit haben, mit anderen Instrumentalisten zu musizieren, wo die Literatur so anspruchsvoll ist?“
Der Sinn eines Chores oder Ensembles besteht also darin, die allererste Zeit beim Instrumentenlernen musikalisch zu bereichern. Hier steht nicht die Bewältigung des Instrumentes im Vordergrund, sondern die Musik selbst, das Spielen, das Phantasieren mit der Musik! Statt strenger Anweisungen für die richtige Technik gibt der Lehrer musikalische Anregungen, damit die Kinder mit einfachsten Mitteln und späterem schrittweise Einbeziehen des Instrumentes der Musik lauschen, sie in sich entdecken und über die Musik staunen und sich begeistern können. Ein wichtiger Schritt ist getan, wenn der Schüler die Musik hören will und sich schließlich wünscht, diese immer wieder selbst zu spielen. Auf diesen Wunsch kommt es nämlich an!
Durch das Hören, Singen, Improvisieren, Raten, Trommeln, Toben, aber auch durch die Stille, Ruhe und Langsamkeit bildet sich im Kind die echte Motivation zur Musik immer wieder aufs neue. Echte Motivation entsteht nicht durch ein von der Oma ererbtes Klavier oder durch ein Nachbarschaftskind, das auch die Musikschule besucht, auch nicht durch eine glänzende Trompete, die nur aus einer Laune heraus gespielt werden möchte. Echte Motivation entsteht durch die Sehnsucht, an der Musik teilhaben zu dürfen. So wird das Kind auch die notwendigen täglichen Übungen auf dem Instrument gerne in Kauf nehmen, die „langweilige“ Technik wird ihm nicht mehr anstrengend vorkommen, und seine Liebe zum gewählten Instrument wird immer größer.
Wenn wir unser Leben durch die Musik bereichern wollen, dürfen wir nicht mit der Zeit sparen, sondern müssen mehr von unserer Zeit verschenken!